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Unsere Gedenkstätte 2012

Opfergedenken zum 9. Juni 1945 in Deutschneudorf

am 7.7.2012

L. van Beethoven: "Die Himmel rühmen"

 

Erschienen in der Sudetendeutchen Zeitung, Folge 31 am 3.8.2012

Gedenken der Opfer in Deutschneudorf

Anfang Juli trafen sich die Komotauer Landsleute an ihrer „Gedenkstätte 9. Juni 1945“ in Deutschneudorf  im sächsischen Erzgebirge zum jährlichen Gedenken der Opfer des Todesmarsches und der Vertreibung. Heimatkreisbetreuerin Hedwig Gemmrig konnte trotz des herrschenden Regens  wieder rund 120 Landsleute und Gäste  begrüßen.  Darunter auch die in der Heimat Verbliebenen sowie die Sachsen-anhaltinische SL Ortsgruppe Bitterfeld,  die eine Blumenschale aufstellten. Begrüßt wurden die Gedenk- und Grußwortredner und Mitwirkenden der Gedenkstunde:  Heinz Peter Haustein, MdB,  Bürgermeister von Deutschneudorf,  Claus Hörrmann, Stellvertretender SL-Bundesvorsitzender, Helmut Seemann, Heimatkreisbetreuer von Kaaden und Landschaftsbetreuer Erzgebirge – Saazerland,  Dietmar Hübler,  Stellvertretender SL- Landesobmann in Sachsen sowie Heimatpfarrer Karl Brünnler. Ebenso konnte  als  Gast  Stanislav Ded vom Regionalmuseum Komotau begrüßt werden.

Hedwig Gemmrig  gedachte der rund 8000 Männer im Alter von 13 bis 65 Jahren, die sich auf dem Jahnspielplatz einfinden mussten,  dort unmenschlichen Grausamkeiten der tschechische Peiniger ausgesetzt waren, dann auf den Todesmarsch bis an die Grenze nach Deutschneudorf getrieben wurden, wo sie drei Tage überwiegend auf offener Straße ohne Verpflegung verbringen und nach der Verweigerung des Grenzübertritts schließlich ins tschechische  Konzentrationslager nach Maltheuern zurückgetrieben wurden. Viele  der Landsleute kamen durch Erschießen, Brutalität, Hunger und Krankheit auch dort ums Leben. Gedacht wurde auch der vielen vergewaltigten und verschleppten Frauen und der Familien mit Kindern, die für lange Zeit ins Innere der Tschechoslowakei verbracht wurden und unter primitivsten Verhältnissen hausen und in der Landwirtschaft Zwangsarbeit leisten mussten. Anschließend kamen die Unglücklichen ins Abschiebelager und mit wenig Handgepäck erfolgte  die Vertreibung – in Güterwagen gepfercht – über die Grenze nach Mittel- oder Westdeutschland. „Dieses Unrecht“, so Gemmrig,  „kann nicht ad acta gelegt werden!  Aus diesem Grunde hat der Heimatkreis Komotau begonnen, die Zwangsarbeit unserer deutschen Bevölkerung im Komotauer Bezirk zu dokumentieren. Rechtsanwalt und Notar  Herbert Haischmann, selbst Teilnehmer des Todesmarsches und im Lager Maltheuern interniert, hat die Arbeiten der Dokumentation dankenswerterweise übernommen. Wir tun das für die Opfer, für deren Familien, und in der Verpflichtung, die wahren Geschehnisse, die meist verharmlost oder falsch dargestellt werden, für alle Zeiten festzuhalten. Nach bisheriger Erkenntnis sprechen wir heute von rund 10.000 inhaftierten Männern und Frauen im Kreis  Komotau, die Zwangsarbeit leisten mussten. Erschreckend ist die Feststellung, dass nach Kriegsende im Heimatkreis Komotau durch Erschießen, Totschlag und Entkräftung in den Arbeitslagern sowie durch Suizid  an die 1000 Personen ums Leben kamen. Auch haben wir Unterlagen von einigen Massengräbern in denen unsere Landsleute verscharrt wurden“.

In diesem Zusammenhang und  bezogen auf den Brief von Bundespräsident Gauck  an den tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus zu 70 Jahre Lidice  richtete Gemmrig folgende Worte an Gauck: „Herr Bundespräsident, nachdem Sie der Präsident aller Deutschen sein wollen, sollten Sie auch die Gefühle  und Interessen der Sudetendeutschen vertreten. Es wäre an der Zeit, sich zu unseren über 220.000 Toten zu bekennen und derer ebenfalls zu gedenken.   Sie wurden Opfer der tschechischen Machthaber nach Kriegsende! Sie,  Herr Präsident, können Ihren Willen beweisen, indem Sie einen nationalen Gedenktag für Flucht und Vertreibung befürworten.“ Aber auch Positives gäbe es zu berichten.  So interessieren sich immer mehr junge Tschechen für die Geschichte der Sudetendeutschen.   Die Schüler vom Gymnasium Komotau und ihr Prof. Jan Märc seien auch in diesem Jahr am 9. Juni an der Gedenkstätte in Deutschneudorf gewesen und  hätten sich mit Zeitzeugen getroffen.  Solche Aktivitäten begrüßt  der Heimatkreis Komotau  Sie seien ein Weg zur Aufarbeitung und Verständigung.

Bürgermeister Heinz Peter  Haustein,  hob in seiner Begrüßung und  in seinen Gedenkworten für die  Opfer  hervor,  dass die Komotauer  „Gedenkstätte 9. Juni 1945“  ein Bestandteil  der Gemeinde Deutschneudorf geworden sei.  Sie gehöre zu der jüngeren Geschichte der Gemeinde.  Es gäbe noch eine Anzahl von Bewohnern, die sich der Geschehnisse im Juni 1945 erinnerten und berichten könnten.  Deutschneudorf feiere in diesen Tagen ihr 375jähriges Bestehen,  und zu den ersten Bewohnern hätten die Exulanten gezählt, die von  jenseits des Erzgebirges, aus dem Böhmischen gekommen seien. Noch heute erinnerten Namen der Bewohner von Deutschneudorf  an diese Religionsflüchtlinge von einst. Haustein,  Mitglied des Haushaltsausschusses  des Bundestags brachte aus aktuellem Anlass die Besorgnis zum Ausdruck, dass durch die Euro-Megamilliardenschulden wieder Brandherde im Entstehen seien.  

Claus Hörrmann gedachte ebenso  der Männer des Todesmarsches und  fand die richtigen Worte zum damaligen Geschehen vor 67 Jahren sowie zu der heutigen Wahrnehmung in der Gesellschaft, in  den Medien und in  der Politik.  Vom  Schicksal der Vertriebenen wolle man heute  oft nichts hören;  dies sei störend für die Politik, die gute Nahbarschaft und die Völkerfreundschaft.  Doch was seien das für Freunde, denen man nicht auch das Unbequeme zu sagen wage?

Unrecht bleibe Unrecht und könne nicht gegeneinander aufgewogen werden, das verbiete die europäische Rechtstradition,  und so sei es auch falsch, das Unrecht der Vertreibung mit dem Unrecht des Nationalsozialismus legitimieren zu wollen.  Es sei deshalb zynisch und menschenverachtend und schlichtweg grotesk,  Millionen Vertriebe in Generalhaftung  zu nehmen.  Leider könne  sich der tschechische Präsident  Klaus bis heute nicht von dieser fatalen,  von fehlendem Unrechtsbewusstsein getragenen Sichtweite trennen, wenn er erst vor einiger Zeit gebetsmühlenhaft wiederholt habe,  die Vertreibung von rund drei Millionen Deutschen aus der Tschechoslowakei sei die logische  Folge eines tragischen  Geschichtskapitels.  Damit würden die deutschen Vertriebenen undifferenziert  als Täter bezeichnet.  Die schwere und anhaltende Verharmlosung der Vertreibung der Deutschen stelle eine Menschenrechtsverletzung dar, denn sie bedeutet eine unzulässige Diskriminierung der Opfer. Dass die berüchtigten Benes- Dekrete  und das Straffreistellungsgesetz noch heute in der Tschechischen Republik Gesetzeskraft  hätten,  schmerze unsere Überlebenden zutiefst und es bleibe unverständlich, dass sie im gemeinsamen Europäischen Haus noch heute  verbindende Werte  darstellen.

Heimatkreisbetreuerin Hedwig Gemmrig bei der Begrüßung

Hörrmann wandte sich an die Landsleute,  Freunde und Gäste: „Es ist die moralische Verpflichtung von Ihnen -  den noch lebenden Zeitzeugen -,  die verbleibenden Lebensjahre  zu nutzen, um den Jüngeren – der Bekenntnisgeneration – die vollständige  Wahrheit zu vermitteln, in ihrer ganzen Breite und in allen Facetten. Nur so wird es uns gelingen, als Sudetendeutsche nach der gewaltsamen und völkerrechtlichen Vertreibung aus der Heimat nicht aus der Geschichte Deutschsböhmens zu verschwinden.“

Hörrmann sprach sich ebenfalls für die Schaffung  eines nationalen Gedenktags zum Gedenken  an die Vertreibung aus.  Das wäre wirklich ein  starkes und richtiges Signal für die Vertriebenen, ihre Kinder und Enkelkinder. Die Reife und Größe einer Nation zeige sich auch gerade darin, wie mit den eigenen Opfern umgegangen werde.  Dass auch 2012 so viele Menschen an dieser Feierstunde in  Deutschneudorf teilnähmen,  sei ein ermutigendes Zeichen. „Nutzen wir es und tragen wir es in die Zukunft.“

Gruß- und Gedenkwortworte sprach auch Helmut Seemann im Namen des Heimatkreises Kaaden.  Er erinnerte an die Gedenkstätte auf dem Kaadner Friedhof für die Märzgefallenen und  für die Vertreibungsopfer.

Gebets- und Segensworte sprach  wie immer unser Heimatpfarrer Karl Brünnler. Seine Gedenkrede konnte er wegen des wieder einsetzenden starken  Regens nicht halten. Sie wird aber später zu einem  gegebenen Anlass nachgeholt werden.

Für die würdevolle Umrahmung sorgten der Anton-Günther-Chor und der junge Trompeter Benjamin Harzer aus Seiffen.  Die  Gedenkveranstaltung schloss Hedwig Gemmrig  mit herzlichem Dank an alle Teilnehmer und Mitgestalter, die trotz Regens ausgeharrt hatten.  „Das sind wir unseren Opfern schuldig“, war die einhellige Meinung der Landsleute.

Danach traf man sich im „ Hotel zum Einsiedler“ in  Deutscheinsiedel zum Plausch und Gedankenaustausch. Am Tage danach, nun  bei bestem Erzgebirgswetter,  besuchten die Landsleute die Wallfahrtskirche  im nahen  Heimatort Quinau, wo Pfarrer Brünnler mit zwei weiteren Priestern die Heilige Messe hielt.                             

Hedwig Gemmrig                                                    

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V.l. Helmut Seemann + Bürgermeister Haustein

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V.l. Benjamin Harzer, Dietmar Hübler, Claus Hörrmann + Pfarrer Karl Brünnler

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Bürgermeister Heinz Peter Haustein bei seinen Grußworten

Gäste

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Helmut Seemann + Hedwig Gemmrig

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Vom Regen nasse Tische und Bänke

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Gedenkredner Claus Hörrmann , Stellv. Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft

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Das Forum bei strömendem Regen

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Gt beschirmt: Claus Hörrmann und Dietmar Hübler

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Helmut Seemann, Heimatkreisbetreuer Kaaden- Duppau bei seinem Grußwort

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Zuschauer bei strömendem Regen

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Fotografen

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Gäste

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Trompetensolo von Benjamin Harzer

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