Gedenkredner Dietmar Hübler

Nach der Begrüßung der Landsleute und der  Gäste gedachte Dietmar Hübler der Komotauer Männer zwischen 13 und 65 Jahren, die auf dem Todesmarsch und im Zwangsarbeitslager Maltheuern ums Leben kamen.

Anschließend gab er einen historischen Rückblick auf die  vergangenen  100 Jahre.  Er spannte  den Bogen von der Ermordung  des Thronfolgerpaares, über  dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der friedlichen Demonstration unserer Landsleute am 4. März 1919, an die Unterdrückung der Deutschen in der ersten Tschechischen Republik,  bis hin zur Entrechtung und  Vertreibung unserer Landsleute aus ihrer angestammten  Heimat  nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. 

Er erinnerte  eingehend an die  damalige Gesetzlosigkeit, an die  Ausschreitungen gegenüber  unserer Volksgruppe,  wie dem Brünner Todesmarsch, die Massaker auf der Aussiger Brücke und den Komotauer Todesmarsch.  Die Täter dieser Gräueltaten wurden nie bestraft, sie wurden von ihrem Staat gedeckt.  Dieses Straffreistellungsgesetz 115 ist noch heute Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung.

Dietmar Hübler führte weiter aus:  Im Jahre 1952 haben unsere Landsleute  in der „ Charta  der Vertriebenen“ festgeschrieben, dass die deutschen Vertriebenen auf Rache verzichten und gemeinsam am Aufbau eines neuen Europas mitwirken wollen,  damit solche menschenunwürdige Ereignisse sich nicht mehr wiederholen können. Mittlerweile gibt es eine Europäische Union, deren Ziel es unter anderem ist, Kriege in Europa zu verhindern. Ein europäischer Wirtschaftsraum und eine  Wertegemeinschaft  sind entstanden, in denen man sich verantwortlich fühlt. Gesetze, die gegen die Menschenwürde verstoßen, gehören nicht hierher. Leider ist unser tschechischer Nachbar nicht bereit, die Benesch- Dekrete aus der Gesetzessammlung zu entfernen. Verantwortungslose Politiker behaupten immer wieder, dass diese Gesetze eine Art Garantie der Tschechischen Republik darstellen. Die Täter von damals sind bereits verstorben beziehungsweise in  einem hohen Alter und für die Strafverfolgung nicht mehr vorhanden. Wenn die Tschechische Republik das Straffreistellungsgesetz außer  Kraft setzen würde, könnte sie nur an  Ansehen gewinnen.

 Die Gespräche auf beiden Seiten müssen weiter gehen. Bescheidene Anfänge wurden gemacht durch den ehemaligen Ministerpräsidenten Necas in Bayern.  Auch Sachsens Ministerpräsident  Tillich ist öfter in Prag , wo der Freistaat Sachsen ein Büro unterhält.  Ob er über die Probleme der Vertriebenen spricht, ist nicht bekannt.  Das ist sehr bedauerlich, da er selbst einer Minderheit (Sorben) angehört.  Mit Politikern ins Gespräch zu kommen, scheitert immer wieder daran, dass sie sich nicht für uns Vertriebene  zuständig fühlen.

Dietmar Hübler erinnerte außerdem an die unterschiedliche Rechtsauffassung der Bundesrepublik und der Tschechischen Republik, die in der Deutsch-Tschechischen Erklärung festgestellt wurden und  von einer Deutsch-Tschechischen Historikerkommission aufgearbeitet werden sollten. Diese Kommission ist seit 1990 tätig. Die Aufarbeitung der Vertreibung ist nicht -  wie erwartet -  auf die deutsche Vertreibung gerichtet,  sondern man hat dieses Thema internationalisiert. Auf seine Nachfrage erhielt er vom Collegium Carolinum in München unter anderem folgende Antwort: “Die Deutsch-Tschechische und Deutsch-Slowakische Historikerkommission hat sich mehrfach wissenschaftlich mit dem „Weg in die Katastrophe“ von 1933-1947 befasst.  Rechtsfragen zu klären ist nicht Aufgabe der Historikerkommission, sondern Aufgabe der Politik“.

Daraufhin hat sich Dietmar Hübler an das zuständige  Auswärtige Amt in  Berlin gewandt und direkt an den Bundespräsidenten Gauck, da dieser mit seinem Amtskollegen Zeman zusammentrifft und unser Thema mit dem Nachbarstaat von großer Wichtigkeit ist.

„Direkte Gespräche mit uns Sudetendeutschen wollen tschechische Politiker nicht führen und so lange fühlen wir uns ausgegrenzt“, so Dietmar Hübler.

Dass es auch anders geht, beweise das wieder stattgefundene Egertal-Heimatfest in Pürstein mit unseren Landsleuten und tschechischen Bürgern.   Mit gutem Willen sei vieles erreichbar. So  erinnere die Gedenktafel auf dem Friedhof von Klösterle / Klasterec  neben  der Opfern der beiden Weltkriege auch an die Opfer der Vertreibung. Das Wort Aussiedlung wurde nachträglich  durch  Vertreibung ersetzt . Die neue Gedenktafel war zum Treffen im Mai dieses Jahres fertig. 

Am Schluß seiner Gedenkrede mahnte Dietmar Hübler den noch ausstehenden gemeinsamen Gedenktag für die Opfer der Vertreibung an, nachdem  die Bundesländer Bayern,  Hessen und Sachsen einen Gedenktag bereits beschlossen haben. Und er sprach von der Hoffnung und der  Bitte,  die Kinder-und Enkelgeneration in die Aufgabe und Verantwortung  an  unsere Vorfahren einzubinden und  an den ungelösten Problemen teilzuhaben, damit die Erinnerung an das,  was  unsere Ahnen geschaffen haben,  nicht in Vergessenheit gerät.

(Beitrag aus der Komotauer Heimatzeitung)                     

 H. Gemmrig

31.7.2014