Rede des für die Erstellung der "Gedenkstätte 9. Juni 1945" Verantwortlichen und Organisators der Einweihungsfeier

Erhard Seemann.

Liebe Landleute,

hochverehrte Gäste,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

"was lange währt, wird endlich gut", sagt ein altes Sprichwort. Vor ca. 5 Jahren faßte der Vorstand des "Förderverein Mittleres Erzgebirge- Komotauer Land e.V.", den Entschluß zum Gedenken aller Opfer des Todesmarsches der Komotauer Männer am 9.Juni 1945, der Opfer des Masakkers am Jahnspielplatz, der Glashütte und der Lager in Maltheuern, eine würdige Gedenkstätte zu errichten.

Heute ist der Tag, an dem der damals gefaßte Entschluß Wirklichkeit wird.

Heute weihen wir diese "Gedenkstätte 9.Juni 1945" ein und übergeben sie der Öffentlichkeit.

Sie, liebe Landsleute, gaben mit Ihren Spenden, letztlich uns den Auftrag, diese Gedenkstätte zu schaffen. Ohne diese Hilfe hätten wir es nicht zuwege gebracht. Dafür möchte ich Ihnen ein herzliches Dankeschön sagen.

Wir, von der Erlebnisgeneration, insbesondere die damaligen Teilnehmer dieses Todesmarsches, die Häftlinge im KZ Glashütte, in den Lagern von Maltheuern und alle Landsleute, die Familienmitglieder zu beklagen haben, sahen es als eine Verpflichtung an, all dieser Opfer nicht nur verbal, sondern auch optisch zu gedenken.

Der Leidenszug dieser Männer schleppte sich dort drüben über Nickeldorf nach Gebirgsneudorf zur ehemaligen Reichsgrenze. Die Spitze dieses Zuges erreichte bereits Deutschneudorf, nur wenige Meter von unserer Gedenkstätte entfernt, und zwar bis zum früheren Gasthof "Zur Post".

Dort wurde die Kolonne vom damaligen Deutschneudorfer Bürgermeister Jacobi gestoppt und die Vertreter der russischen Besatzungsmacht verständigt. Die Russen verweigerten nach zweitägigen Verhandlungen die Übernahme.

Während dieser Gespräche lagerten die Männer auf der Straße. Ein Teil von ihnen wurde später in Säle und  in das hier gegenüber liegende Kino gepfercht, in dem unbeschreiblich chaotische Zustände herrschten.

Einigen gelang die Flucht.

Inzwischen wurde es Nacht. Es begann zu regnen. Die völlig ermatteten Männer legten sich, trotz Verbot, auf die Straße.

Immer wieder pfiffen Kugeln über unsere Köpfe. Die Wachsoldaten plünderten die wehrlosen Männer noch weiter aus. Schuhe, Mäntel, Pullover u.a.m. mußten wir hergeben. Gnade Gott dem, der sich dagegen wehrte!

Quälender Hunger und Durst, gepaart mit panischer Angst überfiel uns alle.

Einige mutige deutsche Frauen aus Gebirgsneudorf und auch von Deutschneudorf, schlichen sich in unser Lager und gaben uns gekochte Kartoffeln, Wasser, manchmal auch Tee und ein bißchen Brot, soweit sie dies selbst entbehren konnten. Dafür möchte ich diesen Frauen, die ihr Leben für uns riskierten, für ihre Hilfe damals, ein herzliches Dankeschön sagen.

Es regnete wieder und ein kalter Wind fegte über den Erzgebirgskamm, bis am dritten Tag der Befehl zum Abmarsch kam.

Aber es ging nicht, wie wir es damals erhofften, zurück nach Komotau, sondern zur Zwangsarbeit in die Lager nach Maltheuern.

Nun, werden Sie alle verstehen, warum wir gerade hier in Deutschneudorf, am Ort des damaligen grausamen Geschehens unsere Gedenkstätte errichten. Einen besseren Platz gab es nicht.

Liebe Landsleute, erlauben Sie mir, daß ich an dieser Stelle einem Mann und zwar Herrn Bürgermeister Haustein von Deutschneudorf, samt seinen Gemeinderäten und Verwaltungsmitarbeitern, ein ganz, ganz herzliches "Dankeschön" sage. Er war es, der uns bei unserem Vorhaben hervorragende Unterstützung gewährte und uns auch diesen Platz zum Kauf anbot.

Von Anfang an war er von unserer Idee begeistert. Er erkannte, welche Bedeutung seine Gemeinde für uns Landsleute aus Komotau und Umgebung hat. Mit Herrn Haustein verbindet uns seither eine freundschaftliche Partnerschaft.

Unsere Gedenkstätte "9.Juni 1945" soll aber auch gleichzeitig Mahnung sein. Sie soll uns alle mahnen, mit beizutragen, daß solche grausamen Geschehnisse nicht mehr vorkommen dürfen.

Leider ist dies auch in der heutigen Zeit fast nicht möglich.

Wozu blindwütiger Haß hinführt, mußten wir Sudetendeutschen nach Kriegsende 1945 am eigenen Leib erfahren.

Grausamkeiten und Greueltaten verübte ein tschechischer Mob, unterstützt durch die damalige tschechische Regierung unter Benesch, an wehrlosen zutiefst gedemütigten Menschen. Benesch verkündete: "Tod allen Deutschen", "Laßt den Deutschen nur das Taschentuch in das sie weinen können !"

Unverständlich ist es, daß diese damals verfaßten Dekrete noch heute Gesetzeskraft haben.

Die von uns heute übergebene Gedenkstätte soll zu einer Verständigung der Völker beitragen. Wir friedliebenden Sudetendeutsche, appellieren an die mächtigen Entscheidungsträger Europas, die große Chance zu nutzen, beim Eintritt Tschechiens in die Europäische Union, völkerrechtswidrige Dekrete für nichtig zu erklären.

Nun, unsere Volksgruppe ertrug ein hartes Schicksal. Dank ihrer Kraft hat sie vieles überwunden. Allerdings die geraubte Heimat konnte sie nicht wieder gewinnen.

Auf unserer Aufbauarbeit lag ein Segen. Vielleicht auch deshalb, weil bereits 5 Jahre nach dieser Zeit, mit der " Charta der Heimatvertriebenen" im Jahre 1950, wir den Tschechen die Hand für ein friedliches Nebeneinander und auch den Verzicht auf Revanche anboten.

Wir haben verziehen und sind auch noch weiter dazu bereit, aber vergessen können wir das Geschehene nicht.

Die Inschrift auf der Platte, die die Stele ziert, beginnt mit den Worten von Anton Günther: "Vergaß dei Haamit net!" Ganz bewußt wählten wir diesen Text. Wir werden unsere Heimat und das fürchterliche Geschehen nie vergessen können.

Mit der Errichtung unserer Gedenkstätte wollen wir keinesfalls provozieren. Die historische Wahrheit wollen wir aber andererseits auch nicht verschweigen.

Ganz besonders freuen wir uns darüber, daß es heute bereits erste Anzeichen unter der tschechischen Bevölkerung gibt, die Fragen stellen und wissen wollen, was damals eigentlich wirklich geschah. Bisher hat man es ihnen ganz bewußt verschwiegen und sie falsch informiert.

Letzthin hörte ich von Tschechen, daß sie auf Dauer nicht mehr einer Nation angehören wollen, die einen Teil ihrer Geschichte versteckt, weil sie es nicht wagt, ihr in die Augen zu sehen. Sie waren der Ansicht, daß man sich der Vergangenheit stellen sollte.

Ich wünschte mir nur,daß auch unere Bundesregierung sich hinter unsere Forderungen stellen möge und sich nicht nur für die Freiheit und Recht im Kosowo, in Afghanistan oder sonst wo auf der Welt, stark macht.

Ich bin überzeugt, daß die heute anwesenden Vertreter der Presse über die damaligen politischen und unmenschlichen Geschehnisse nach dem 2. Weltkrieg bestens informiert sind. Ich danke Ihnen bereits jetzt für die umfassende und sachliche Berichterstattung.

Liebe Landsleute, heute freuen wir uns besonders darüber, daß viele Deutsche, die noch in der alten Heimat Komotau und Umgebung wohnen, an unserer Einweihungsfeier teilnehmen. Diese Menschen hatten es in der Tschechischen Republik nicht leicht, ihr Deutschtum zu vertreten. Umso höher müssen wir ihren Besuch bei uns würdigen. Aber vielleicht ändert sich die Situation schneller, als wir zu denken vermögen.

Das Gleiche gilt auch für die uns wohl gesonnenen Tschechen, die heute ebenfalls unter uns weilen und zwar stellvertretend für alle Herrn Museumdirektor Ded. Seien Sie ganz herzlich willkommen.

Eine Bitte, ja einen Herzenswunsch, möchten wir Ihnen jedoch auf ihren Heimweg mitgeben: Treten Sie für die Wahrheit ein und helfen Sie mit, an einer freiheitlichen Partnerschaft zu arbeiten, die frei von geschichtlichen Lügen sein muß.

Wir sind überzeugt, hier in Deutschneudorf eine würdige Stätte des Geschehens geschaffen zu haben und sind sicher, daß unsere Landsleute, auch unsere Nachfolger, zukünftig diesen Platz sehr oft aufsuchen werden, um in aller Stille derer zu gedenken, die ihr Leben bei der Vertreibung hergeben mußten.

Bevor ich zum Schluß komme, möchte ich vorab einem Landsmann von uns besonders danken. Er gilt unserem Künstler Adolf Sachs. Er hat die Skulptur und alles was noch dazu gehört, geschaffen.

Lieber Adolf, Du hast einen großen Beitrag geleistet und Dein Kunstwerk wird hoffentlich uns alle die nachfolgenden Generationen, zum Nachdenken bewegen.

Möge diese "Gedenkstätte 9.Juni1945" auch nie ein Opfer von Vandalismus und Zerstörung werden, diesen Wunsch haben wir alle.

Liebe Landsleute, meine Worte möchte ich schließen mit dem Dank an unseren Herrgott, daß er uns allen die physische, geistige und materielle Kraft zur Erstellung dieser Gedenkstätte gewährte.

Möge Er uns alle eines Tages auch zu einer Versöhnung beider Völkerstämme führen.

Ich danke Ihnen für Ihr geduldiges Zuhören.

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Während der Veranstaltung wurde das nebenstehende Bild fotografiert. Adolf Sachs hat daraus eine Federzeichnung gemacht.

Diese drückt mehr als alles andere die Stimmung der Stunde aus: War ihr Sohn, ihr Gatte beim Todesmarsch ? Hat sie ihn verloren ?